• Energiepreise überwiegend fester, wenn auch wenig spektakulär
  • FEED-Studie für 600-MW-Elektrolyseur
  • Die MAN-Großmotoren heißen jetzt anders
  • Gazprom beerdigt stillschweigend Pläne in der Türkei
  • EU plant offenbar flexibles Klimaziel für 2040
  • Finanzminister: Investitionsfonds noch im Juni im Kabinett
  • Bund will Monitoring des gesamten Energiesystems
  • Milliardenförderung durch Klimaschutzverträge
  • Gericht verpflichtet Senec zu Austausch bei PV-Speicher
  • Urteil: Mainova-Rechenzentrum müsste eigentlich privat sein
Enerige & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - „Wir brauchen Klarheit“
Quelle: E&M
AUS DER AKTUELLEN AUSGABE:
„Wir brauchen Klarheit“
Im Projekt „Clean Hydrogen Coastline“ investiert EWE Millionen in den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft. Stefan Dohler, EWE-Vorstandsvorsitzender, über die Herausforderungen dabei.
 
E&M: Herr Dohler, der Nordwesten Deutschlands bietet gute Bedingungen für die Wasserstoffproduktion. Warum versorgen Sie noch nicht längst ganz Deutschland mit grünem Wasserstoff?

Dohler: Wir haben im letzten Jahr die Investitionsentscheidung in der Größenordnung von 800 Millionen Euro getroffen, genau in der Erwartung: Die Zeit ist jetzt reif für die Skalierung. Es gibt eine klare politische Entscheidung, das Kernnetz aufzubauen. Wir haben über die IPCEI-Programme eine Kapitalkostenförderung, mit der wir Elektrolyseure bauen können. Wir als EWE haben in Rüdersdorf erprobt, dass Großspeicher großvolumig auch in schnellen Zyklen für Wasserstoff zu nutzen sind. Somit haben wir jetzt alle Grundvoraussetzungen, um Erzeugung, Transport und Speicherung parallel hochzufahren.

Jetzt das Aber: Bei grünem Wasserstoff haben wir derzeit noch das Problem, dass die Kosten − im Wesentlichen die Stromkosten − für den Betrieb zu hoch sind. Wir als EWE sind mit dem 320-Megawatt-Elektrolyseur, den wir bauen wollen, bewusst an den Standort Emden gegangen. Dort gibt es einen Netzknoten mit sehr viel grüner Einspeisung, der eigentlich hoch überlastet ist. Im vergangenen Jahr hatten wir dort knapp 400.000 Megawattstunden abgeregelten Windstrom, in 2023 waren es sogar mehr als 500.000 Megawattstunden.

Nach Paragraf 13K im EnWG würden wird diesen Grünstrom gern nutzen, statt ihn abzuregeln. Die Regeln dazu sind allerdings sehr kompliziert. Die Vorgaben der EU sagen: Wenn wir grünen Wasserstoff herstellen wollen − und das müssen wir wegen der IPCEI-Förderung −, dann müssen wir die Kriterien der RFNBO-Definition (Renewable Fuels of Non-Biologic Origin, siehe Kasten; d. Red.) erfüllen. Das heißt unter anderem Zusätzlichkeit und Gleichzeitigkeit. Das haben wir für den Standort Emden mal gerechnet: Im Vergleich zu der Variante, ihn dort für den Spotmarkt zu betreiben, sind die Strombezugskosten so fast um 90 Prozent höher.

E&M: Das heißt, das Hauptproblem für den Wasserstoffhochlauf sind die Förderkriterien der EU?

Dohler: Genau. Wenn man das auf das Kilo Wasserstoff herunterbricht − die 90 Prozent Mehrkosten also in Kapitalkosten, Betriebskosten et cetera übersetzt −, dann macht das den Wasserstoff um etwa 50 Prozent teurer. Entstanden sind diese Anforderungen damals ja aus der Überlegung heraus, die wenigen verfügbaren Erneuerbaren nicht für die Elektrolyse zu nutzen und so dem Markt zu entziehen. Aber wir sind inzwischen in einer ganz anderen Welt. Wir würden den Elektrolyseur gerne so einsetzen, dass er systemunterstützend wirkt: In billigen Stunden mit überproportionaler Stromerzeugung ziehen wir die maximale Leistung aus dem Stromnetz. Damit müssen wir nicht abregeln und stützen das EEG-Konto, weil wir die Marktwerte stabilisieren.

Zweitens haben wir niedrige Kosten für die Elektrolyse. Und drittens: Ist der Strom teuer und wir haben gerade im Norden trotzdem noch Wind im System, könnten wir den am Markt verkaufen und dadurch Kohle- und Gaskraftwerke verdrängen. Wenn ich aber gezwungen bin, den Strom für meinen Elektrolyseur immer aus meinem dezidierten Windpark zu nehmen, dann werde ich den Strom dem Markt auch in diesen Stunden entziehen, in denen es eigentlich besser wäre, ihn dem Markt zur Verfügung zu stellen. Im Spotmodell haben wir niedrigere Kosten für die Elektrolyse und damit auch den Wasserstoff, einen besseren ökologischen Fußabdruck und wir unterstützen das EEG-Konto. Aber das dürfen wir aufgrund der geltenden Regeln nicht.

E&M: Was würden Sie sich denn konkret von der neuen Bundesregierung wünschen?

Dohler: Dass sie sehr robust gegenüber der Kommission sagt: Wir wollen eine schnelle Entscheidung, dass wir die Kriterien Zusätzlichkeit und Gleichzeitigkeit auflösen. Zweiter Wunsch an die neue Bundesregierung: den Bedarf zu stützen, indem beispielsweise Stahlhersteller eine klare Option bekommen, wie sie sich die Kosten für grünen Stahl auch von der Betriebskostenseite her leisten können. Dafür muss ich entweder mit einem Klimaschutzvertrag und einem Differenzkostenausgleich oder über grüne Leitmärkte, beispielsweise bei öffentlichen Ausschreibungen, für eine gewisse Mindestquote Grünstahl sorgen. Wir möchten gerne zeigen, dass es geht, dass sich der Einsatz von grünem Wasserstoff rechnet. Aber wir brauchen dazu immer einen Kunden, der sagt: Ich kaufe grünen Wasserstoff für meine Industrieprozesse.

E&M: EWE verfügt insgesamt über 37 Salzkavernen. Sind die alle geeignet für die Speicherung von Wasserstoff?

Dohler: Grundsätzlich ja. Diese Salzkavernen sind ein großer Vorteil, den wir im Norden Deutschlands haben. Man muss die Obertagetechnik einmal komplett erneuern, also beispielsweise Messung, Kompression und Armaturen. Und natürlich die Verrohrung und Dichtung der Zuleitung zu den Kavernen, die in der Regel in einigen Hundert Metern unter der Erde sind. Das haben wir in Rüdersdorf erprobt und nachgewiesen, dass die unterirdische Speicherung von Wasserstoff funktioniert.

E&M: Wann wird der Betrieb eines ehemaligen Erdgasspeichers als Wasserstoffspeicher wirtschaftlich?
 
EWE-Vorstandsvorsitzender Stefan Dohler
Quelle: EWE / Sebastian Vollmert


Dohler: Er wird dann wirtschaftlich rentabel, wenn der Kunde sagt: Ich zahle für die Strukturierung. Ein Stahlwerk beispielsweise braucht eine relativ stabile Versorgung. Wenn ich aber einen Elektrolyseur habe, der sich am Spotmarkt optimieren soll, damit ich die Kosten in den Griff bekomme, dann habe ich eine fluktuierende Wasserstoffproduktion. Die Lösung ist ein Kavernenspeicher. Darin lagern wir den erzeugten Wasserstoff ein, bis er benötigt wird. Damit können wir Wasserstoff gleichmäßig liefern. Dafür muss die Kundschaft allerdings einen ‚Veredelungspreis‘ zahlen. Und von diesem muss ein Speicher wirtschaftlich betrieben werden können. Zudem brauchen wir noch eine Speichergesetzgebung. Man kann die Speicher theoretisch regulieren, man kann sie aber auch im Markt lassen. Was wir brauchen, ist Klarheit.

E&M: Wie wird sich der Markt für grünen Wasserstoff in den kommenden Jahren entwickeln?

Dohler: Wir werden keine Explosion der Nachfrage erleben, das glaube ich nicht. Aber wir müssen anfangen, Importstrecken aufzubauen: blauer Wasserstoff, grüner Wasserstoff, Import über Derivate. Man muss Vertrauen auf der Abnehmerseite schaffen: Warum soll ich als Industriebetrieb jetzt meine Produktion umstellen, wenn ich nicht weiß, ob die Wasserstofftechnologie nicht vielleicht nur ein Strohfeuer ist? Wir brauchen Verlässlichkeit bei Abnahme und Lieferung. Und da muss die Politik in Europa und in Deutschland mithelfen und einen Rahmen schaffen für Investitionsbereitschaft.

E&M: Haben Sie nicht die Befürchtung, dass allzu große Offenheit bei den Farben des Wasserstoffs und seiner Herkunft für Sie selbst den künftigen Markt für grünen Wasserstoff einschränkt?

Dohler: Nein. Erstens ist es im Moment viel wichtiger, dass wir eine schnelle Skalierung haben, um Zuverlässigkeit bei den Preisen und bei Mengen zu signalisieren. Dann wird sich ein Abnehmermarkt darauf einstellen und wir werden eine Entwicklung sehen. Und dann kann es natürlich sein, dass der importierte grüne Wasserstoff deutlich weniger kosten würde als der, den wir hier produzieren. Die Frage, die dann beantwortet werden muss, ist, ob Deutschland im Sinne der Resilienz trotzdem eine gewisse Eigenversorgung benötigt.

Und selbst wenn Importe einmal den größeren Anteil der Mengen ausmachen: Wir werden trotzdem Speicher und Leitungen brauchen. Und wenn wir einmal auf die Erzeugung schauen: Wie günstig ist es denn überhaupt, Wasserstoff zu importieren? Wenn wir uns in Deutschland am Spotmarkt orientieren können und die billigen Stunden in der richtigen Lokation für die Elektrolyse nutzen, dann mache ich mir um die Wettbewerbsfähigkeit des hier erzeugten Wasserstoffs wenig Sorgen. Und deshalb investieren wir.

E&M: Und wann ungefähr rechnen Sie damit, dass sich dieses Investment auch trägt?

Dohler: Am Ende soll sich jedes Einzelprojekt rechnen. Wir können und wollen in keinem einzigen dieser Projekte Geld verlieren. Die 26.000 Tonnen, die wir produzieren wollen, sind gefühlt ein Tropfen auf den heißen Stein, gemessen am heutigen Wasserstoffbedarf Deutschlands von mehr als 1,5 Millionen Tonnen. Und wenn wir dafür Abnehmer haben, dann rechnet sich das. Beim Thema Leitungen hat der Staat das Amortisationskonto geschaffen. Das ist ein kluges Modell. Wünschenswert wäre es, wenn es ein ähnliches Modell für die Wasserstoffkavernen gäbe. Dann kann die Speicherung von Anfang an wirtschaftlich sein. 

Wasserstoff als RFNBO

Die EU-Kommission definiert folgende Anforderungen an Renewable Fuels of non-biological origin (RFNBO). Darunter versteht sie „flüssige oder gasförmige erneuerbare Brenn- beziehungsweise Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs2. RFNBO müssen folgende Kriterien erfüllen:
1. Erneuerbare Stromquellen: Der Strom, der für die Wasserstoffproduktion verwendet wird, muss aus erneuerbaren Quellen wie Wind, Sonne, Geothermie, Gezeitenenergie oder Wasserkraft stammen.
2. Zeitliche und räumliche Korrelation: Eine zeitliche Korrelation zwischen Stromverbrauch der Elektrolyseure und Produktion der Erzeugungsanlage ist notwendig. Durch geeignete Standorte für Elektrolyseure und Erzeugungsanlagen soll zusätzlicher Netzausbaubedarf verhindert werden, Elektrolyseure sollen daher in derselben Stromgebotszone errichtet werden wie die Erzeugungsanlage für erneuerbare Energien.
3. Zusätzlichkeit: Neue und ungeförderte EE-Anlagen müssen kontrahiert werden, damit für den Stromverbrauch durch Elektrolyseure auf dem Strommarkt zusätzliche Mengen erneuerbare Energien bereitgestellt werden.
4. Industrie-Unterziel: Der RFNBO-Anteil am industriellen Wasserstoffverbrauch soll bis 2030 bei 42 Prozent und bis 2035 bei 60 Prozent liegen.

 
 

Katia Meyer-Tien
Redakteurin
+49 (0) 8152 9311 21
eMail
facebook
© 2025 Energie & Management GmbH
Dienstag, 15.04.2025, 08:30 Uhr

Mehr zum Thema